Ist doch ganz normal- für mich jedoch nicht
Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade von Melanie Hafner Zeig wer du bist! – Aufruf zur Blogparade
Wer ich wirklich bin – dies ist tatsächlich ein Thema, das mich momentan mit knapp vierzig wieder sehr beschäftigt. Wir lernen in diesem Leben bekanntlich sehr viel über Versuch und Irrtum. So fällt ein Kind viele Male hin, bevor es sicher laufen lernt. Ganz ähnlich habe auch ich zunächst im Laufe meines Lebens immer mehr realisiert, wer ich nicht bin und was mir gar nicht liegt. Was für die meisten meiner Mitschülerinnen im Teenageralter damals hoch angesagt war, war für mich nur sehr mässig interessant. Während sie fasziniert waren von Mode, Schminke und Partys, interessierte ich mich schon früh für Spiritualität und philosophische Fragen. Tiere übten ebenfalls eine grosse Anziehungskraft auf mich aus. Poster mit Sprüchen von Bonhoeffer und Franz von Assisi teilten sich meine Zimmerwände mit Postern von Pferden und Delfinen oder auch selbst gemalten Bildern.
Vieles, was für andere normal ist, kann für mich schrecklich störend sein. Hier ist meine Hitliste der persönlichen Abneigungen:
- Menschenmassen
- Lärm
- Eintönigkeit, Gleichförmigkeit und Langeweile
- hierarchische Strukturen
- Ungerechtigkeit, Kleinkariertes, Bürokratie
- Besserwisserei, Intoleranz, Konkurrenzdenken
- Oberflächlichkeit
- graue Betonklötze
- Zeitdruck und daraus resultierender Stress
- alle Arten von Zwang
Was mich wirklich glücklich macht
Nun könnte man zu dem Schluss kommen, dass meine Schulzeit nicht meine beste Zeit war, da die Punkte 2,6 und 9 sicher vorkamen. Etwas Mobbing habe ich in der Grundschule auch erlebt. Erzieher und Lehrer nannten mich verträumt. Tatsächlich habe ich rückblickend meine Schulzeit jedoch in ganz guter Erinnerung, denn wenn ich etwas ganz besonders mag, ist es, mir Wissen anzueignen. Klar, da war auch viel für mich unnützes oder unverständliches Wissen dabei, allen voran die höhere Mathematik. Doch ich fand es sehr interessant mich mit Poesie, Literatur und Sprachen auseinanderzusetzen. Und ein wichtiger Teil meines Lebens war immer die Kunst. Ich merkte bald, mit Kunst kann man den Himmel auf die Erde bringen, zumindest eine Ahnung davon. Irgendwo in der menschlichen Phantasie verbergen sich Ideen von himmlischer Schönheit und Liebe. Ich würde sogar behaupten eine Sehnsucht nach einer himmlischen Heimat. Einige grossartige Künstler haben diese Sehnsucht in ihren Werken zum Ausdruck gebracht. Ich denke da gerne an den Maler Caspar David Friedrich, der einige Bilder gemalt hat, in denen Figuren in einer malerischen Landschaft mit dem Rücken zum Betrachter auf besagte Landschaft blicken. Auch die Bilder von Monet berühren mich auf eine spezielle Weise. Seine Bilder versetzen mich in einen Rausch der Farben, der nicht von dieser Welt zu sein scheint.
Das ergibt bei mir konkret die folgende Liste:
- Stille oder angenehme Musik
- anregende Gespräche in Kleingruppen
- Immer wieder etwas Neues entdecken
- Begegnungen und Zusammenarbeit auf Augenhöhe
- Gemeinschaftssinn und Fairness
- Freiheit
- Gebäude oder Kunstwerke, die auf harmonischen Gesetzen beruhen, z.B. goldener Schnitt
- Spiritualität
- Vintage-Stil
- Poesie
Meinem wahren Wesen auf der Spur
Tatsächlich finde ich alle Systeme spannend, die Menschentypen kategorisieren, allen voran sind es ja die Sternzeichen in der Astrologie, dann gibt es noch die Psychophysiognomik oder facereading, Human Design, die vier Farbtypen etc.
Kritiker meinen, dass man Menschen doch nicht nur aufgrund ihres Geburtsdatums oder ihres Erscheinungsbildes bestimmte Eigenschaften zuordnen kann. Da würde man ja einem Menschen mit grossen Vorurteilen begegnen und sie in Schubladen stecken.
Tja, ich kann diese Vorbehalte durchaus verstehen. Und ich frage mich auch immer wieder, ob dass denn immer alles so zutreffend ist. Bei mir selbst habe ich jedoch festgestellt; grundsätzlich trifft vieles absolut zu. Ich bin nämlich Sternzeichen Fische und habe grosse Augen und eher volle geschwungene Lippen.
Obwohl ich durchaus rational die Dinge durchdenke, treffe ich Entscheidungen doch eher gefühlsbetont. Ich bin sehr reizoffen, habe eine starke Wahrnehmung. So nehme ich jede schöne Blume am Wegesrand wahr und bleibe oftmals stehen, um ihren Duft aufzunehmen. Ich spüre auch sofort, wie es einem anderen Menschen geht. Zudem spüre ich auch schnell, wenn jemand nicht authentisch ist und bin dann sehr irritiert. Ich hinterfrage gesellschaftliche Gepflogenheiten (besonders hierarchisches Denken), denke gerne mal unkonventionell, bin sehr kreativ, und etwas schusselig.
Das sind übrigens alles Eigenschaften, die typisch sind für neurodivergente Menschen. Seit mein Sohn mit ADHS diagnostiziert wurde, habe ich mich viel damit beschäftigt und mich in einigem wiedergefunden. Ich habe auch die Geschichten einiger Menschen mit Autismus auf Youtube verfolgt und mich in gewissen Punkten wiedererkannt. Da ich sehr auf Harmonie bedacht bin, habe ich natürlich gelernt mich anzupassen und unterdrücke viele Impulse, was die Diagnose gerade bei Frauen erschwert. Ich verstehe aber sehr gut die innerliche Zerrissenheit, die Menschen erleben, die eine Kombination aus Autismus und ADHS haben. Der Wunsch nach Veränderung und neuen Sinnesreizen einerseits steht dem Wunsch nach Sicherheit und der eigenen Komfortzone auf der anderen Seite konträr entgegen. Da hilft es, wenn man einen guten Humor entwickelt und über sich selbst auch mal lachen kann. So lässt sich neuer Mut für neue Projekte finden.
Lange Zeit habe ich mich irgendwie falsch gefühlt auf diesem Planeten, habe jegliche Kritik sehr persönlich genommen und mich dann selbst oft dafür kritisiert, dass vieles, was anderen so leicht von der Hand geht, oft so schwer für mich ist. Irgendwann stiess ich mal auf den Begriff „hochsensibel“ und erkannte mich darin wieder. Da dieser Begriff in der wissenschaftlichen Welt jedoch keine breite Anerkennung findet, half er mir auch nicht so sehr weiter und gab mir keine Erklärung für manche meiner Schwächen.
Seit ich mich als neurodivergente Person erkannt habe (und dazu brauche ich keine offizielle Diagnose), ist dies für mich keine Entschuldigung für meine Schwächen, aber eine Einladung und Erlaubnis, mich mit meinen individuellen Stärken und Schwächen endlich und wahrhaft vollständig anzuerkennen. Ganz besonders habe ich nochmals ein viel grösseres Verständnis für meine Herausforderungen als Mutter gewonnen. Damit ist gleichzeitig auch mein Verständnis für andere Menschen und ihre individuellen Eigenschaften gewachsen. Wir sind alle anders und das ist gut so. Denn viele Projekte können dann am erfolgreichsten gelingen, wenn verschiedene Menschen mit verschiedenen Talenten sich gemeinsam daran beteiligen.
Meine berufliche Neuausrichtung
Die Entwicklung von Kindern und die Lernprozesse im Gehirn faszinieren mich und es war mir immer ein grosses Anliegen, diese Entwicklung zu begleiten und zu fördern. Daher habe ich auch eine pädagogische Ausbildung gemacht. Seit der Diagnose meines Sohnes bin ich mir sicher, dass es meine Aufgabe ist, ganz besonders neurodivergente Kinder zu stärken und zu fördern. Dafür lerne ich zunächst noch mehr darüber, wie ich mich auf meine individuellen Stärken konzentrieren und diese sinnvoll nutzen kann, statt mich von meinen Schwächen ausbremsen zu lassen. Dieses Wissen möchte ich dann mit anderen teilen.