Seit ich als Jugendliche das erste Mal von Hochsensibilität gehört habe, war mir klar, dass mich das betrifft. Es gab mir eine Erklärung dafür, warum ich mich so anders fühlte. Doch es half mir nicht im Umgang mit anderen Menschen, weil ich davon ausgehen musste, dass andere das nicht verstehen würden. Es würde wie eine Ausrede oder eine Entschuldigung klingen dafür, dass ich nicht so funktioniere und so belastbar bin wie andere. Tatsächlich spüre ich jedes Mal ein Grummeln im Bauch, wenn «belastbar» als geforderte Eigenschaft in einer Stellenanzeige steht. Ich bin doch ein Mensch und keine Maschine und als Mensch hängt meine Belastbarkeit auch von meiner Umgebung ab. So wird ein Kind in einer Klasse mit einem wertschätzenden Lehrer und einer guten Atmosphäre auch bessere Leistungen zeigen als unter weniger förderlichen Bedingungen.
Was genau ist denn Hochsensibilität? Der Begriff wurde von der Psychologin Elaine Aron geprägt. Der englische Originalbegriff ist «High Sensitivity» und klingt neutraler. Auch ich würde mich lieber als «hochsensitiv» bezeichnen. Jedoch ist diese Bezeichnung weniger verbreitet.
Hochsensibilität ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das durch eine intensivere Wahrnehmung von Reizen gekennzeichnet ist. Hochsensible Menschen nehmen sowohl äußere Reize (Geräusche, Licht, Gerüche) als auch innere Empfindungen (Gefühle, körperliche Signale) deutlich stärker wahr als Menschen, die nicht als hochsensibel gelten.
Es gibt die folgenden Merkmale von Hochsensibilität:
- Eine intensivere Wahrnehmung: Hochsensible Menschen nehmen Details ihrer Umwelt besser wahr und reagieren stärker auf Veränderungen.
- Eine tiefere Verarbeitung: Sie denken über Situationen und Erfahrungen intensiver nach und ziehen häufig mehr Bedeutungen daraus.
- Empfindlichkeit: Hochsensible können leicht überfordert sein durch starke Reize, Lärm oder Stress.
- Empathie: Sie haben oft eine ausgeprägte Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und deren Gefühle nachzuempfinden. Dies führt zu einem grossen Harmoniestreben und Ablehnung von Gewalt.
- Kreativität: Viele hochsensible Menschen sind kreativ und haben eine lebhafte Fantasie.
- Starke Sinnsuche: diese führt oft zu einem Interesse für Spiritualität
- Ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn
Hochsensibilität ist keine Krankheit, sondern eine Persönlichkeitsvariante. Sie ist weder positiv noch negativ zu bewerten, sondern einfach eine andere Art, die Welt wahrzunehmen.
Durch ein stärkeres Bewusstsein in der Gesellschaft für Neurodiversitäten wie ADHS und Autismus und den Überschneidungen mit der Hochsensibilität wächst langsam auch das Verständnis für diese.
Tatsächlich kann man davon ausgehen, dass jegliche Kombinationen davon möglich sind. Ich selbst gehe inzwischen davon aus, dass ich auch von der hypoaktiven Form der ADHS betroffen bin. Das ist das Gegenteil der hyperaktiven Form (die typische Zappeligkeit) und erklärt einige meiner Schwierigkeiten und Herausforderungen, die ich seit meiner Kindheit habe, noch besser als die Hochsensibilität. Ganz typisch ist die sogenannte Priorisierungsschwäche. Ich sehe, dass es eine Reihe von Aufgaben zu erledigen gibt und fühle mich davon erstmal ziemlich überwältigt. Wenn ich mich dann doch für eine Aufgabe entscheide, fühle ich dennoch die Last und den Druck der anderen unerledigten Aufgaben ständig auf mir. Wenn ich alle diese Aufgaben als unangenehm für mich einstufe, wird es besonders schwer und ich brauche dann nach einer gewissen Zeit erstmal eine Pause, in der ich etwas für mich Angenehmes tun kann.
Es hilft mir sehr, wenn ich eine unangenehme oder langweilige Aufgabe (wie putzen) mit einer interessanten Tätigkeit (wie Podcasts hören) verbinden kann. Schwierig wird es jedoch, wenn ich dann von meinen Kindern dabei unterbrochen werde. Dann kann es eine ganze Weile dauern, bis ich wieder in meine Tätigkeit zurückfinden kann.
Ich lasse mich auch manchmal leicht ablenken, wenn ich eine Aufgabe erledigen möchte (z.B. Aufräumen) und ich sehe plötzlich Dinge, die Erinnerungen oder Emotionen in mir wecken. Dann kann es sein, dass ich viel mehr Zeit benötige, um diese Aufgabe zu erledigen.
Ach ja, die Zeit. Ich verstehe meinen Sohn sehr gut, der immer wieder verwundert darüber ist, wie unterschiedlich lang eine Stunde oder 10 Minuten sein können, je nachdem, was man gerade macht!
Die Fähigkeit von ADHSlern zum Hyperfokussieren, wenn es sich um das eigene Spezialinteresse handelt, kenne ich auch. Dann kann man so tief in eine Tätigkeit versinken, dass jede Störung beinahe schmerzhaft scheint.
Das Gute an meiner Hochsensibilität ist, dass ich mich nicht (wie so viele Menschen heutzutage) überarbeiten kann. Ich bin so sehr mit meinem Körper und seinen Signalen verbunden, dass ich deutlich spüren kann, wenn ich an meine Grenzen komme und eine Pause brauche. Die Herausforderung besteht dann darin, dieses Bedürfnis anderen Menschen zu kommunizieren, da ich als Hochsensible auch sehr darauf bedacht bin, es allen recht machen zu wollen und die Harmonie zu bewahren, da mich Konflikte sehr belasten können.
Die Ursachen von ADHS sind komplex und noch nicht vollständig geklärt. Es scheint eine Kombination aus verschiedenen Faktoren zu sein, die zur Entstehung dieser Erkrankung beitragen.
Die wichtigsten bekannten Faktoren sind:
- Genetische Veranlagung: Ein hoher Anteil von ADHS-Fällen ist erblich bedingt. Mehrere Gene spielen eine Rolle bei der Entwicklung der Störung.
- Neurobiologische Faktoren: Es gibt Hinweise auf Veränderungen in bestimmten Bereichen des Gehirns, die mit ADHS in Verbindung stehen. Diese Veränderungen beeinflussen die Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Bewegungskoordination.
- Neurotransmitter-Ungleichgewicht: Ein Ungleichgewicht der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin im Gehirn wird mit ADHS in Verbindung gebracht. Diese Botenstoffe spielen eine wichtige Rolle bei der Informationsübertragung und der Steuerung von Verhalten. Dies kann nach neuesten Erkenntnissen auch mit dem Mikrobiom im Darm zu tun haben.
- Umweltfaktoren:
- Pränatale Faktoren: Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum oder sehr viel Stress während der Schwangerschaft, sowie Komplikationen während der Geburt können das Risiko für ADHS erhöhen.
- Soziale Faktoren: Ein schwieriges familiäres Umfeld, Vernachlässigung oder Missbrauch können die Symptome von ADHS verstärken.
- Die Jägertheorie, auch bekannt als „Hunter vs. Farmer Hypothesis“, ist eine interessante, wenn auch umstrittene Theorie, die versucht, die Entstehung von ADHS im evolutionären Kontext zu erklären. Sie wurde von Thom Hartmann geprägt und besagt im Wesentlichen, dass ADHS nicht als Störung, sondern als eine Anpassung an die Lebensweise unserer frühen Jäger-Vorfahren betrachtet werden kann.
Kernpunkte der Jägertheorie:
Jäger vs. Bauern: Die Theorie geht davon aus, dass unsere Vorfahren als Jäger ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität benötigten, um in einer ständig wechselnden Umwelt zu überleben. Diese Eigenschaften waren von Vorteil bei der Jagd, der Suche nach Nahrung und der Reaktion auf Gefahren.
Evolutionäre Anpassung: Im Laufe der Zeit, als der Mensch sesshaft wurde und zur Landwirtschaft überging, veränderten sich die Anforderungen an das Gehirn. Die für Jäger so nützlichen Eigenschaften wurden in der neuen, statischen Umgebung eher hinderlich.
ADHS als Überbleibsel: ADHS wird in dieser Theorie als ein Überbleibsel dieser evolutionären Anpassung betrachtet. Menschen mit ADHS könnten demnach Nachkommen von Jägern sein, deren Gehirn noch auf die alten Anforderungen programmiert ist.
Die Jägertheorie bietet meiner Meinung nach eine sehr interessante Perspektive auf ADHS, die jedoch nicht alle Aspekte davon erklärt. Ich finde es allerdings wichtig, dass in dieser Betrachtung ADHS nicht als «Krankheit» gesehen wird, sondern als eine Vielfalt in der Menschheit, die genau wie die Hochsensibilität durchaus ihre nützlichen und positiven Aspekte für den Mensch und die Gemeinschaft haben kann. Was denkst du darüber?
In meinen folgenden Beiträgen werde ich darauf eingehen, mit welchen Methoden die Energie gestärkt und Blockaden gelöst werden können.