ADHS, Autismus, Hochbegabung – Was sind die Zusammenhänge?

Seit einiger Zeit haben wir einige Herausforderungen mit dem Verhalten unseres Sohnes. Von mehreren Bekannten, deren Kinder mit ADHS diagnostiziert sind, haben wir gehört, unser Sohn könnte das auch haben. Wir sind nun in der sozialpädiatrischen Abklärung und ich bin mal sehr gespannt auf das Ergebnis.

In der Zwischenzeit habe ich mich natürlich sehr ausführlich informiert und auch einige Videos zu dem Thema auf youtube von Personen angeschaut, die von sich sagen, „ich bin diagnostiziert mit ADHS oder Autismus“, oder mit beidem, das sogenannte „AuDHS“. Und ich muss sagen, wenn ich den Leuten so zugehört habe, war ich teilweise schockiert, wie gut ich mich darin teilweise wiedererkennen konnte. Nie im Leben hätte ich bei manchen von diesen Frauen gedacht, sie könnten autistisch sein. Die eine meinte selbst, sie wäre in ihrer Jugend sozial sehr gut eingebunden gewesen. Sie sprach jedenfalls sehr lebendig und ausdrucksstark vor der Kamera. Eindeutige Diagnosen sind oftmals schwierig, denke ich, da das Spektrum sehr gross ist. Man spricht ja auch heute von einer „Autismus-Spektrums-Störung“ (früher Asperger). Wenn sich jemand also ganz am äusseren Rande des Spektrums befindet, ist fraglich, ob eine Diagnose überhaupt Sinn macht.

Wenn der Autismus sehr unauffällig ist, könnte das allerdings auch ein Fall von „High Masking“ sein. Die Betroffenen haben wohl durch ihre ausgezeichneten Beobachtungs- und Nachahmungsfähigkeiten gelernt, wie sich eine „normale“ Person zu verhalten hat, um in der Gesellschaft akzeptiert und erfolgreich zu sein. Sie spüren aber doch immer wieder ein gewisses Unbehagen und subtile Ängste, so dass viele von ihnen im Laufe ihres Lebens immer wieder diverse Therapeuten aufsuchen. Sie setzen sich vermehrt mit sich selbst auseinander (oftmals besonders nach einem Burnout oder einer Depression) und erkennen, dass sie eine „Maske“ tragen und nicht ihre wahre Identität leben. Doch wie kann man diese (wieder)finden?

Die Sache mit der Hochbegabung

Zufälligerweise bin ich kürzlich wieder auf den Begriff der Hochbegabung gestossen. Ich war immer davon überzeugt, dass man sich mindestens das Lesen im Vorschulalter selbst beigebracht und in der Schule stets Bestnoten gehabt haben muss, um als hochbegabt gelten zu können. Doch es muss wohl nicht unbedingt so sein. Die Hauptanzeichen für eine Hochbegabung sind welche, die wohl auf viele Menschen zutreffen können. Und zwar:

  • Frühe Sprachentwicklung: Kinder beginnen früh zu sprechen und haben einen großen Wortschatz.
  • Intensives Interesse an bestimmten Themen: Sie vertiefen sich in bestimmte Themengebiete und stellen oft komplexe Fragen.
  • Kreativität und Vorstellungskraft: Hochbegabte Kinder haben oft eine lebhafte Fantasie und sind sehr kreativ.
  • Gute Beobachtungsgabe: Sie nehmen ihre Umwelt sehr genau wahr und können Zusammenhänge schnell erkennen.
  • Hohe Sensibilität: Sie sind oft sehr empfindlich gegenüber Reizen und Emotionen.
  • Perfektionismus: Sie haben hohe Ansprüche an sich selbst und sind oft unzufrieden mit ihren Leistungen.
  • Unkonventionelles Denken: Sie denken oft „out of the box“ und finden ungewöhnliche Lösungen für Probleme.

Besonders an den Punkten Beobachtungsgabe, Kreativität und erhöhte Sensibilität werden die Gemeinsamkeiten zu ADHS, Autismus und Hochsensibilität erkennbar. Auch das intensive Interesse an bestimmten Themen und das unkonventionelle Denken sind typische Merkmale.

Unerkannte Hochbegabung bei Schulkindern kann weitreichende Folgen haben, die sich sowohl auf den schulischen als auch auf den persönlichen Bereich auswirken. Die möglichen Auswirkungen könnte sein:

  • Leistungsabfall: Paradoxerweise kann Hochbegabung zu schlechten Noten führen. Kinder, die sich unterfordert fühlen, verlieren schnell die Motivation und entwickeln ungenaue Arbeitsweisen.
  • Verhaltensauffälligkeiten: Aus Langeweile oder Frustration können Verhaltensauffälligkeiten wie Unruhe, Stören oder sogar aggressives Verhalten auftreten.
  • Soziale Isolation: Hochbegabte Kinder können sich aufgrund ihrer Andersartigkeit von ihren Mitschülern isoliert fühlen und Schwierigkeiten haben, Freundschaften zu schließen.
  • Unterforderung: Da der Stoff oft zu leicht ist, entwickeln hochbegabte Kinder keine effektiven Lernstrategien und können später Schwierigkeiten haben, sich an neue Lerninhalte anzupassen.

All dies kann dann bei den Kindern und später auch bei den Erwachsenen zu verschiedenen persönlichen Problemen führen:

  • Selbstwertprobleme: Unerkannte Hochbegabung kann zu einem geringen Selbstwertgefühl führen, da die Kinder das Gefühl haben, nicht dazuzugehören oder nicht gut genug zu sein.
  • Angststörungen: Die ständige Unterforderung und der Druck, perfekt zu sein, können zu Angststörungen führen.
  • Depressionen: Wenn Hochbegabte ihre Fähigkeiten nicht entfalten können, kann dies zu tiefer Traurigkeit und Resignation führen.
  • Verlust der Lernfreude: Die Freude am Lernen kann verloren gehen, wenn das Lernen als langweilig und sinnlos empfunden wird
  • Probleme mit der Konzentration: Obwohl es paradox erscheinen mag, können sowohl Hochbegabte als auch Menschen mit ADHS Schwierigkeiten haben, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, wenn sie nicht von dieser gefordert werden.
  • Soziale Schwierigkeiten: Beide Gruppen können Schwierigkeiten haben, soziale Interaktionen zu meistern und sich in Gruppen einzufügen. Das unkonventionelles Denken kann sowohl zu innovativen Lösungen als auch zu Schwierigkeiten führen, je nachdem wie die Umgebung ist.

Warum treten diese Überschneidungen auf?

Es gibt verschiedene Theorien, die diese Überschneidungen erklären könnten:

  • Überdurchschnittliche Gehirnaktivität: Sowohl bei Hochbegabten als auch bei Menschen mit ADHS gibt es Hinweise auf eine überdurchschnittliche Gehirnaktivität in bestimmten Bereichen.
  • Unterschiedliche Informationsverarbeitung: Beide Gruppen könnten Informationen auf eine etwas andere Art und Weise verarbeiten, was zu den genannten Gemeinsamkeiten führt.
  • Unterforderung und Überforderung: Sowohl Hochbegabte als auch Menschen mit ADHS können sich in der Schule oder im Beruf unterfordert oder überfordert fühlen, was zu Verhaltensauffälligkeiten führen kann.

Der Zusammenhang zwischen ADHS und Hochbegabung ist komplex und individuell sehr unterschiedlich. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Menschen mit ADHS hochbegabt sind und umgekehrt. Doch das Auftreten von beidem ist durchaus möglich. Eine genaue Diagnose kann nur durch einen Fachmann gestellt werden.

Ich habe mich eigentlich nie überdurchschnittlich intelligent gefühlt, allerdings waren mir viele Gespräche mit anderen oft zu oberflächlich und ich habe das dringende Bedürfnis ständig mehr zu lernen zu den Themen, die mich interessieren. Ich kaufe und lese tatsächlich nur noch Fachbücher und habe davon unzählige zuhause. Auf Instagram folge ich hauptsächlich Fachpersonen zu meinen Interessengebieten. Für die gelegentliche Entspannung am Abend wird aber auch mal eine Netflix-Serie mit dem Partner geschaut. 🙂

Wenn mir jemand eine Frage stellt, kann es sein, dass ich für die Antwort etwas länger brauche, was dann gar nicht so intelligent wirkt. Allerdings hat es tatsächlich damit zu tun, dass in meinem Kopf oftmals so viele verschiedene Gedanken, Gefühle und Argumente gleichzeitig abgefeuert werden, dass es mitunter herausfordernd sein kann, daraus vernünftige Sätze zu entwickeln. Ich denke, es ist spannend, wie vielfältig sich menschliche Intelligenz zeigen kann und wir sollten diese Vielfalt viel mehr schätzen lernen.

Spannende Links zum Weiterforschen:

Institut für Leistungsentwicklung: https://www.hochbegabtenhilfe.de/adhs-und-hochbegabung/

Überschrift 1 (bzga.de)

Buchtipps:

Jedes Kind ist hochbegabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen von Gerald Hüther und Uli Hauser

Wer wir sind und was wir sein könnten. Ein neurobiologischer Mutmacher von Gerald Hüther

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen